Badische Bauern Zeitung vom Samstag, 11. April 2009
Schule fürs Leben
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Auf
dem Weg von der ugandischen Hauptstadt Kampala nach Masaka hat Hanna
Harter mehrere Male den Äquator überschritten. (Foto: Harter) |
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| Von Barbara Sester
Hanna
Harter aus Gengenbach-Reichenbach zog es nach dem Abitur nach Uganda.
Sie bekam Einblicke in ein tief religiöses Land. Zu sehen, was wirklich
elementare Bedürfnisse des Menschen sind, veränderte den Blick auf ihr
bisheriges Leben im Wohlstand.
Die Landschaft ist sanft
hügelig und sehr grün. Felder, Wald und Wiesen wechseln sich ab,
dazwischen Rinderherden, Gehöfte und kleine Dörfer. Soweit glich das
Bild, das sich Hanna Harter bot, sogar ihrer Schwarzwaldheimat. Und doch
war alles ganz anders: Bananenhaine, Teeplantagen, Eukalyptus- und
Mangobäume, strohgedeckte Rundhütten, lateritrote Pisten und die Rinder
haben riesige Hörner.
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Anne
Namuddu ist unermüdlich für die Kinder ihres Landes im Einsatz. Ihre
guten Kontakte nach Deutschland helfen dabei. (Foto: Reinmann) |
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| Hanna war von
September bis Dezember 2008 Praktikantin in der Diözese Masaka im Süden
Ugandas. Hier half die 20-Jährige im "Transitory Home", das Heim und
Ausbildungsstätte für Waisen in Sachen Haushalt, Handwerk und
Grundbildung ist. Auch in eine Molkerei und weitere landwirtschaftliche
Projekte erhielt sie Einblicke. Besonders eindrücklich war der Tag, an
dem sie mit dem AIDS-Mobil unterwegs war, das kostenlose Tests anbot.
"Das war schon sehr beklemmend, dabei zu sein, wenn jemand die Diagnose
HIV-positiv bekommt", sagt sie.
Die Kontakte der Diözese zu
Deutschland sind eng, was vor allem am unermüdlichen Einsatz von Anne
Namuddu liegt. Die 78-Jährige hat in den 1960er Jahren in Freiburg
Sozialarbeit studiert und seither ein Netz
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In
die Schule gehen zu dürfen ist nicht selbstverständlich, denn sie
kostet Geld, was viele kinderreiche Familien nicht haben. (Foto: Harter) |
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| an kirchlichen
Patenschaften und privater Hilfe aufgebaut. Eingebunden in die
Sozialabteilung der Diözese hat sie das "Transitory Home" aufgebaut. In
ihrem Privathaus leben zudem25 Waisenkinder, deren Eltern meist an AIDS
gestorben sind. Alle können in die Schule gehen. Täglich klopfen arme
Menschen und Schüler an Anne Namuddus Tür und bitten um Hilfe, die diese
im Rahmen ihrer Möglichkeiten gewährt.
Bekanntes Gesicht im fremden Land
Bei
der Suche nach einem Auslandspraktikum nach dem Abitur stieß Harter
über viele Zufälle und Tipps auf die Arbeit von Anne Namuddu und lernte
bei einer Veranstaltung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) den
Ugander Ben Mugula Mutebi kennen. Er schloss im vergangenen Sommer sein
Sozialarbeitsstudium in Freiburg mit Bravour ab und baut jetzt in
seiner Heimat als KAB-Angestellter eine Landjugend auf. So traf Hanna im
September im fremden Land gleich auf ein bekanntes Gesicht. Das war
beruhigend -- auch für die Daheimgebliebenen. "Ich wurde sehr herzlich
aufgenommen, nicht nur von den Kindern. Außer mir waren noch andere
deutsche Praktikanten da", sagt sie. "Am Tag der Deutschen Einheit
machten die Priester mit uns einen Picknick-Ausflug in einen
Nationalpark, damit wir einen schönen Feiertag haben", erzählt sie.
Das
zentralafrikanische Land wurde 1908 von Winston Churchill als die
"Perle Afrikas" bezeichnet und vereint naturräumlich großartige
Landschaften wie die Fälle des Weißen Nils im Norden, den Victoriasee
oder die vulkanisch aktive Bergkette der Ruwenzoris an der Grenze zum
Kongo. Doch zum landschaftlichen Reichtum gesellen sich Bodenschätze,
die durch die Nachbarschaft zum politisch instabilen Pulverfass Kongo
oft Fluch sind.
AIDS ist allgegenwärtig im Land. Durch
umfassende Kampagnen in den 1990er Jahren zu einer Veränderung des
Sexualverhaltens konnte die AIDS-Rate drastisch auf heute um sechs
Prozent gesenkt werden -- eine der niedrigsten Raten in Afrika.
Geblieben sind sehr viele AIDS-Waisen. Das Durchschnittsalter der
ugandischen Bevölkerung liegt bei 15 Jahren! Wenn es gelingt, den vielen
jungen Menschen Bildung und eine berufliche Zukunft zu geben, hat
Uganda heute wieder gute Entwicklungschancen.
Obama statt Benedikt
Das
Land ist sehr christlich, allein 43 Prozent der Menschen sind
Katholiken. Und was für welche! Im Glauben finden die Menschen Halt und
Zuversicht. Die Gottesdienste sind nicht nur voll, sondern
farbenprächtig, mit Musik und Tanz bereichert und vor allem lang. "Ein
Gottesdienst ging meist so drei Stunden." Auch Anlässe für viele Feste
ergaben sich: Diözesan-Jubiläum, Hochzeiten und viele Beerdigungen. Der
Papst ist allgegenwärtig und prangt auf Bildchen am Straßenshop,
T-Shirts oder Plakaten. "Nur als am 4. November in Amerika gewählt
wurde, haben schlagartig alle Straßenhändler den Benedikt durch Obama
ausgetauscht", erzählt Hanna.
Viel zu schnell vergingen die
Wochen, bis der Flieger sie aus den Tropen in die Vorweihnachtszeit
brachte. Der berühmte Blick über den Tellerrand hat ihr nicht nur
Freundschaften in einer fernen Welt, sondern auch Erfahrungen fürs Leben
beschert. Apropos Teller: Auf ihrem Teller landeten nicht nur
Tropenfrüchte und Bohnen in allen Variationen, sondern auch frittierte
Kochbananen, entflügelte Ameisen oder gebratene Heuschrecken. Sie hat
beherzt zugegriffen und konnte es gar nicht verstehen, dass auf dem
heimatlichen Hof niemand von ihren Mitbringseln probieren wollte.
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