„In der Hölle“


Es muss im hinteren Reichenbachtal ehedem sehr unwirklich ausgesehen haben, wenn der Volksmund das Gewann des Mittelbach, das an die Durbacher Gemarkung angrenzt,
„die Hölle“ genannt hat. Heimatforscher mögen einmal auch für unsere Gegend feststellen, wie man im Reichenbach- und im Renchtale dazu gekommen sein mag, gleich zwei Teile „Hölle“ zu nennen. Sicher ist heute das Reichenbachtal bei Gengenbach ein ganz herrlicher Flecken, der viel zuwenig bekannt ist und durchwandert wird.

Wir saßen diese Woche im Rathaus von Reichenbach, als gerade der Führer die Egerländer begrüßte. Vor uns lagen einige große Bücher, in denen wir nach den Eigentumsverhältnissen des „Höllhofs“ uns verlässigten. Auf eine Weile machten wir eine Pause. Es war ein eigenartiges Empfinden, in einem so vom Verkehr abgelegenen Tälchen den Nachrichten vom Einzug der deutschen Truppen im Sudetenland folgen zu dürfen, deutsche Stimmen von soweit her zu vernehmen und den Führer selbst sprechen zu hören. Die Verbundenheit durch deutsches Blut und deutsche Sprache über weite Strecken hinweg, hier wird sie noch viel bemerkbarer als im Trubel der Stadt. Bauerntum hier – Bauerntum dort!

Lange müssen schon Bauern im Reichenbachtal wohnen. Mehr und mehr haben sie sich von der Kinzigtalstraße nach hinten verschoben. Am Eingang des Tälchens steht die alte Kapelle mit dem prächtigen von Herrn Usselsor Sprauer in der „Ortenau“ erklärten schönen romanischen Empanon. Der „Höllhof“ ist die letzte Siedlung im Reichenbachtal. Lange haben alemannische Bauern hier einen Wohnsitz gehabt. Das letzte Bauerngeschlecht, dem der „Höllhof“ zu eigen gehörte, war das der Wußler, dem der jetzige Bürgermeister von Reichenbach, der Bauer auf dem ehemaligen Anwesen der „Stube“, angehört. Am 20. starb der Höllbauer Jos. Wußler. Seine Erbin wurde seine Frau Katherina geb. Erdrich. Nächster Höllbauer wurde Georg Wußler, der verheiratet war mit Barbara geb. Heizmann. Er war der Vater des heutigen Bürgermeisters Georg Wußler. Georg Wußler verkaufte am 16. August 1890 sein Hofgut mit 177,11 ha, bestehend aus Wald, Wiesen, Ackerfeld und Wohnhaus mit Ekonomiegebäude um 195000 Mark an den Badischen Kammerherrn Freiherrn Wilhelm von Seldeneck in Karlsruhe-Mühlburg. Baron von Seldeneck hatte seine Brauerei in Karlsruhe verkauft, und die Majoratsbestimmungen verlangten, daß das Majorat ungeschmälert in seinem Werte erhalten blieb. So erwarb Herr von Seldeneck neben fünf anderen Höfen auch den Höllhof von Georg Wußler. Und bezahlt wurden 95 000 Mark, der Rest wurde getilgt in Raten à 10 000 Mark und wurde zu 4% verzinst. (Georg Wußlers Vater Josef hatte den Höllhof übernommen zu 110 455 Gulden. Der Hof war nur mit 6584 Gulden belastet gewesen.) Es war bestimmt worden, das die Ernte 1890 noch dem Georg Wußler gehöre. Die auf dem Hofgut stehende Mahl und Sägemühle wurde von dem neuen Besitzer abgerissen. Nach dem Tode von Wilhelm Seldeneck übernahm dessen Sohn Hans von Seldeneck das Gut und bewirtschaftete es auch selbst, bis er 1934 auf dem Höllhof starb. Hans von Seldeneck und seine Frau Corella geb Kuschka wohnten viel im Höllhof, der eigene Jagd, Milcherei und ein kleines Schwimmbad hat. Es ist ein ideales Wochenend

Der Höllhof brannte im September 1937 aus unbekannter Ursache ab. Da er sehr entlegen liegt, konnte die Feuerwehr den rasch um sich greifenden Brand nicht mehr löschen. Die Herren Architekten Friedrich Karl und Regierungsbaumeister Fritz Weiß haben den Höllhof neu aufgebaut. Von dem alten Haus sind nur noch die Fundamente verwendet worden. Auf diesen sitzt der Neubau, der etwas weniger Quadratmeter Bodenfläche einnimmt, aber in der inneren Raumverteilung und Ausnützung weit vorteilhafter ist. Den Architekten gab die Landschaft das Bild. Es konnte nur ein Bauernhaus in Frage kommen. In der Richtung Süd-Nord wurde das Haus gestellt, mit herrlichem Blick auf die Halde des Reichenbachtales und den gegenüberliegenden Wald. Fachwerk und Holzverkleidung des Balkons mit schönen Originalprofilen aus Gengenbach und Reichenbach entnommenen Pfeilerstützen geben dem Bau ein trotz dessen Größe schmuckes Ausleben. Im Inneren ist ebenfalls alles wohl gegliedert. In der Diele entzücken uns sofort die schönen Schmiedeisbeschläge der Türen, der alte Türklopfer, der die Stelle einer Glocke vertritt, das breite Treppenhaus; Der große Flur, die sauber luftige Küche, die Gesellschaftszimmer wie der hoch durch zwei Stockwerke hindurchgeführte Saal mit einem offenen Kamin aus roten Klinkern und einer alten Ortenauer eisernen Ofenplatte zur Holzfeuerung sind ausgezeichnet gelungen. Im zweiten Stock sind helle luftige Schlaf- und Gästezimmer mit Bädern und im dritten Stock sind ebenfalls weitere Zimmer eingebaut, deren Zahl durch Verwendung des großen Speichers noch fast beliebig ergänzt werden kann. Die Oekonomie, die bisher mit dem Hause verbunden war, ist nunmehr von dem Haupthaus abgetrennt, außerdem sind für die Autos eigene Garagen erstellt.

Welchen Zwecken dieses schöne Haus, das mit allen modernen Einrichtungen ausgestattet ist, elektrisches Licht ebenso besitzt, Kalt- und Warmwasserleitung, Zentralheizung, auch in der Zukunft immer dienen wird, es wird allen Ansprüchen an eine gediegene Haus- und Wohnkultur in höchsten Maße genügen. Frau Baronin von Seldeneck hat in das hintere Reichenbachtal sich ein Wohnhaus gebaut, das auch den erfreut, der nur eine Wanderung durch diese Gegend macht und, denen die drin wohnen, ein gemütlicher Aufenthalt sein wird. Die Herren Architekten Friedrich Karl und Regierungsbaumeister Fritz Weis von Offenburg haben ein ausgezeichnetes, der Landschaft angepaßtes Bauwerk in dem Reichenbachtal errichtet, dem bald ein zweites in der Nachbarschaft, das aber rein bäuerliches Zwecken dient, folgen wird.